April 2017
Seit fast vierzig Jahren befindet sich Afghanistan im Kriegszustand. Nun, nach dem Ende der ISAF-Mission, ist es Zeit für Frieden und Versöhnung. Die Menschen in Afghanistan sehnen sich nach und verdienen eine selbstbestimmte, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung ihrer Nation.
Frieden und Versöhnung können nicht erreicht werden ohne eine Beendigung des Kriegszustands. Eine militärische Lösung des Konflikts ist sehr unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich. Jedes Festhalten an der Möglichkeit einer militärischen Lösung wird den Konflikt nur auf unabsehbare Zeit verlängern und dem afghanischen Volk nur zusätzliches Leiden bringen.
Alle afghanischen Konfliktteilnehmer müssen bereit sein, in ernsthafte Verhandlungen zur Beendigung des Kriegszustandes und zur Erreichung eines dauerhaften und stabilen Friedens einzutreten, der auf der Unabhängigkeit von ausländischen Einflüssen und Interessen, sozialer Gerechtigkeit und der Partizipation aller wichtigen ethnischen und sozialen Gruppen beruht. Die Integrität des Territoriums von Afghanistan und die Einheit des Staates dürfen in keiner Weise in Frage gestellt werden.
Die Friedensverhandlungen können nur Erfolg haben, wenn sie im Rahmen von demokratisch legitimierten Institutionen der afghanischen Gesellschaft stattfinden und auf einer Verfassung beruhen, die islamische Tradition mit den universell gültigen Grundlagen eines demokratischen Verfassungsstaats verbindet. Diese Prinzipien umfassen universell gültige Menschenrechte, besonders Religionsfreiheit und die Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Entwicklung einer solchen Verfassung muss als zentrales Moment der Friedens- und Versöhnungsprozesses gesehen werden.
Die Entwicklung einer neuen Verfassung und die Vorbereitung und Durchführung von national und international anerkannter Wahlen, die gleichermaßen den Willen der Mehrheit des afghanischen Volkes zum Ausdruck bringen und die Rechte von Minderheiten schützen, müssen materiell und ideell von den Nachbarstaaten und der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden.
Internationale Unterstützung für den Friedens- und Versöhnungsprozess muss in einer Art und Weise erfolgen, dass sie die authentischen politischen Interessenvertretungen des afghanischen Volkes auf der Ebene des Gesamtstaats, der Provinzen und der lokalen Gemeinschaften hilft, die Prinzipien des Friedens- und Versöhnungsprozesses in selbstbestimmter Weise zu formulieren und durchzuführen. Die internationale Gemeinschaft unter der Führung der UNO sollte Monitoring-Missionen und technische Unterstützung bereitstellen. Interessierte Staaten und Organisation sind eingeladen, Orte und Foren für Verhandlungen und gute Dienste anzubieten.
Im Interesse der internationalen Gemeinschaft und des afghanischen Volkes darf Afghanistan nicht zu einem Rückzugsgebiet für global aktive, terroristische Gruppen wie dem IS werden. Diese terroristischen Gruppen folgen einer Agenda, die sich nicht an den Interessen und den Bedürfnissen des afghanischen Volkes orientieren.
Wir schlagen die folgende Roadmap für die Verwirklichung von Frieden und Versöhnung in Afghanistan vor:
Wir appellieren an alle Afghaninnen und Afghanen im In- und Ausland, an alle am Konflikt beteiligten Seiten, die Führer des bewaffneten Widerstandes, die Führer der NATO-Staaten, die UNO, die Islamische Konferenz, die Friedensorganisationen der ganzen Welt, die Parlamente und politischen Parteien in der internationalen Gemeinschaft aktiv und ernsthaft zur Verwirklichung der in der Erklärung genannten Ziele beizutragen, sodass alle Menschen in Afghanistan endlich in Frieden, Freiheit, Unabhängigkeit und ohne weitere Einmischungen von außen leben können.
Die neue Berliner Erklärung für Frieden und Versöhnung in Afghanistan (PDF-Dokument, 204.3 KB) ist eine Initiative des “Afghanistan-Komitees für Frieden, Wiederaufbau und Kultur e.V.“ und dem „Fachausschuss für Internationale Politik, Frieden und Entwicklung“ der SPD Berlin. Sie fasst die Ergebnisse eines Workshops zusammen, der am 18. März 2017 in Berlin stattfand und auf dem afghanische und deutsche WissenschaftlerInnen, politische FunktionsträgerInnen, FriedensaktivistenInnen, Mitglieder befreundeter Organisationen und der Generalsekretär der Pugwash Conferences on Science and World Affairs, Prof. P. Cotta-Ramusino, substantielle Beiträge für eine aktualisierte Weiterführung der „Berliner Erklärung für Frieden und Versöhnung“ von 2011 vortrugen.
Dazu gibt es folgenden Briefwechsel zwischen dem Fachausschuss Internationales/Afghanistan-Komitee Berlin und Außenminister Sigmar Gabriel:
Schreiben des FA I vom 13. Juni 2017 (PDF-Dokument, 109.5 KB)
Antwort des Außenministers vom 21. Juni 2017 (JPEG-Bild, 779.6 KB)